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Geländewagen erfreuen sich besonders bei Leuten, die Hänger bewegen müssen, großer Beliebtheit. Die robuste Bauweise und das relativ hohe Gewicht der Geländewagen macht sie zu bevorzugten Kandidaten für Anhängerbetrieb. Nimmt man noch deren Fähigkeit durch Allrad die Traktion besser nutzen zu können und die drehmomentverstärkende Untersetzung des Verteilergetriebes dazu, dann kommt eigentlich nur noch ein vierradgetriebenes Fahrzeug in Frage.Aber welches der Systeme in Kombination mit welchen Traktionshilfen macht am meisten Sinn? Beim Anänger-Betrieb mit zuschaltbarem 4WD gibt es so manche Enttäuschung. Wegen der Verspannung des Antriebsstrangs bei der Zuschaltung des Allradantriebs auf fester Straße und der daraus resultierenden Behinderung beim Manövrieren, von möglichen Schäden mal ganz abgesehen, kann der Vorteil von vier angetriebenen Rädern nur auf Untergrund mit wenig Traktion oder im Gelände genutzt werden. Selbst dort aber ist durch den mangelnden Drehzahlausgleich zwischen Vorder- und Hinterrädern die Lenkfähigkeit eingeschränkt. Bei alten Systemen mit manuell sperrbaren Radnaben kann man jedoch ganz hervorragend die erhöhte Antriebskraft der Untersetzung, und was noch besser ist, deren Fähigkeit extrem langsam zu fahren zum kontrollierten Rangieren nutzen. Man hat dann zwar nur Zweiradantrieb, weil ja die Vorderräder abgekoppelt sind, aber die Bullenkraft der Untersetzung bei langsamster Geschwindigkeit bedeuten einen riesigen Vorteil gegenüber allen anderen Fahrzeugen. Außerdem wird dabei die Kupplung geschont, denn man braucht zur Geschwindigkeitskontrolle die Kupplung nicht schleifen zu lassen. Bei neueren Systemen mit automatischen Radnaben oder automatischer Achsankupplung kann der Vorteil der Untersetzung auf fester Straße leider nicht mehr genutzt werden, denn beim Zuschalten von Allrad werden automatisch alle Komponenten starr miteinander verbunden, was zu den schon beschriebenen Verspannungen und Behinderungen führt. Bei Systemen ohne Nabenankupplung oder Achsankupplung, wie beim Mercedes-Benz G-Modell, steht dem Kunden der Vierradantrieb im Prinzip nur im Gelände zur Verfügung. Aber nur im Prinzip, denn wenn der Drehmomentvorteil der Untersetzung nur zum Anfahren benutzt werden soll, dann kann man die Untersetzung schon mal nutzen, denn die Vollsynchronisierung des Verteilergetriebes erlaubt es den G-Fahrern (bei den älteren 460ern und beim Modell 461 mit dem zuschaltbaren Allradantrieb) während des Anfahrens von der Untersetzung in normalen Vierrad und dann auf Zweirad umzuschalten. Der Schalthebel wird seine Zweiradposition aber nur dann einnehmen, wenn dieser Schaltvorgang beim Geradeausfahren vorgenommen wird. Die Verspannungen durch Lenkbewegungen erlauben kein Zurückschalten von 4WD auf 2WD. Mit permanentem Allradantrieb ist die Situation anders: Durch die Einfügung des Mittendifferentials kann nun endlich auch die schwere Last mit Vierrad auf fester Straße übers Land gezogen werden. Ohne verwirrende Theorien, wann man was an- oder abschalten kann, könnte oder muß. Man kann zu jeder Zeit über 100 % mehr Traktion als bei 2WD nutzen. Man kann sogar bei einigen Modellen Vierrad plus Untersetzung auf Asphalt benutzen. Das ist ein unerhörter Vorteil zum Rangieren und Ziehen von schweren Lasten. Unglücklicherweise kommt es bei einigen Modellen beim Einrücken der Untersetzung zu einer Zwangssperrung des Mittendifferentials. Unter Fahrern dieser Modelle werden Tips ausgetauscht, welches Kabel an welcher Stelle abzuziehen ist, um die Zwangssperrung zu überlisten. Nicht gerade ein Beispiel von Bedienungsfreundlichkeit Aber abgesehen vom Kabelabziehen unterm dreckigen Wagenboden, kommt der Fahrer eines permanenten Allradlers nicht ohne manuelle Eingriffe und konsequenzträchtige Entscheidungen aus. Ihm bleibt die Entscheidung, das Mittendifferential zu sperren oder nicht zu sperren. Sperrt er nicht, kann ein einzelnes durchdrehendes Rad das ganze Gespann zum Stehen bringen. Sperrt er, muß er mit starkem Untersteuern und Schäden durch Antriebsstrangverspannungen leben. Zum Glück hat sich die Automobilindustrie die Viskodifferentialbremse für das Mittendifferential einfallen lassen. Vorteil: Ein einzelnes durchdrehendes Rad bringt nicht gleich den ganzen Zirkus zum Stehen und man kann nach wie vor ungehindert auf engem Raum manövrieren. Nachteil: Wenn es darum geht jeden Rest von Traktion zu nutzen, wenn es im Gelände bergauf geht, dann ist die Viskosperre einer automatisch oder manuell eingerückten Klauenkupplung deutlich unterlegen. Also gibt es bei einigen Herstellern beide Traktionshilfen. Damit geht das Theater aber wieder los: Wann verwende ich was, oder besser, wann verwende ich was nicht? Außerdem steht bei eingerückter Mittendifferentialsperre das ABS nicht mehr zur Verfügung. Mit einem zwei Tonnen-Anhänger hinten dran kein gutes Gefühl. Bei der M-Klasse kann man ab sofort all das manuelle Gefummel und die folgenreichen Entscheidungen über Sperreneinsatz, Visko oder Klauen, vergessen. Der permanente Allradantrieb ist ohne wenn und aber jederzeit auf jedem Untergrund einsetzbar. Dem Fahrer eines M steht ohne Einschränkung immer maximale Zugkraft zur Verfügung. Das Traktionsmanagement erfolgt durch das schon beschriebene 4ETS ebenfalls automatisch und ohne Zutun des Fahrers. Es sind keine Fehlentscheidungen mehr möglich und durchdrehende Räder werden dennoch erfolgreich gebändigt. Alle Differentiale sind offen und erlauben maximale Manövrierfähigkeit, die durch einen Wendekreis des ML von 11,90 m noch unterstützt wird. Die Untersetzungen der M-Klasse Modelle von ML230 bis ML430, die zu den niedrigsten unter allen Geländewagen zählen, sind ebenfalls auf allen Untergründen zu jeder Zeit und ohne jede Einschränkung nutzbar. Es steht bei allen M-Klasse Modellen ein wahrhaft mächtiges Drehmoment an den Rädern zur Verfügung. Beim Anfahrdrehmoment müssen sich selbst einige V8 der Konkurrenz gegen den V6 des ML320 geschlagen geben, weil die Mercedes Ingenieure ihm die weit aus bessere Gesamtuntersetzung mit auf den Allrad-Weg gegeben haben. Die brutalste Kraft in der M-Famile stemmt der V8 des ML430 auf den Boden, die beste Kombination aus Kraft und Wirtschaftlichkeit dürfte jedoch vom ML270 TD zu erwarten sein. (Siehe Tabelle im Anhang. Seite 108) Generell ist eine Automatik für den Hängerbetrieb besonders vorteilhaft, weil durch die Überhöhung im Drehmomentwandler während des Anfahrens das Drehmoment ungefähr verdoppelt wird. Eine Kupplung kann den gleichen Effekt nur stinkend und qualmend erreichen, außerdem läßt sie sich das meist nicht lange gefallen. Derzeit ist nur für den ML270 TD die Wahl zwischen manuellem Getriebe und Automatik vorgesehen. Die Fans von manuellen Getrieben erwartet mit sechs Vorwärtsgängen zur Auswahl auf dem Schaltmenü ein echter Leckerbissen im ML270 TD. Mit fast 5:1 ist der erste Gang extrem niedrig ausgelegt und liefert genau das, was Gespannfahrer schon immer haben wollten: Viel Kraft und wenig Geschwindigkeit im Ersten. Rein rechnerisch hat die Automatik des Diesels aber dennoch die Drehmomentnase vorn. Weit vorn. Im Anfahrbereich stehen 3200 Nm pro Rad zur Verfügung. Alle, die mal die schiebende Last eines Hängers im Nacken hatten, wissen, wie wichtig die Bremsen und deren Management sind. Durch die sperrenlosen Differentiale der M-Klasse kann das bordeigene 4-Kanal ABS zu jeder Zeit uneingeschränkt das Blockieren der Räder verhindern. In erster Line bei Geradeausfahrt verschiebt das Steuergerät N47, gleichzeitig für ABS, 4ETS und EBV zuständig, auch noch die Bremslastverteilung etwas mehr nach hinten und erreicht damit eine gleichmäßigere Verzögerung. Das EBV-Programm ( in USA als EBFD oder Electronic Brake Force Distribution angeboten) ist in der Lage, den Hydraulikdruck der hinteren Bremsen dynamisch einzustellen. Die Hinterradbremsen können trotz hoher Leistung nicht überbremsen. Dazu überwacht EBV ständig den Schlupf an der Hinterachse und greift im Bedarfsfall korrigierend ein. Das bisher nur im ML430 serienmäßige BAS (Brake Assist System) zum schnelleren und besseren Abbremsen in Notsituationen scheint auch für den Zugbetrieb zusätzliche Sicherheit zu bringen. Das Brake Assist System ist als Sonderausstattung für die anderen Modelle geplant. Im Vergleich zu einem Mercedes G mit zwei mechanischen Achsdifferentialsperren ist eine Situation denkbar, bei der die M-Klasse unterlegen sein wird: Wenn sich der Fahrer eines G mit sehr schwerem Hänger entscheidet, an einer steilen Auffahrt wegen zu erwartender Traktionsprobleme, beide Differentiale zu sperren, dann steht ihm im Falle von zwei durchdrehenden Rädern an jedem Rad mit Traktion noch jeweils 50% der Antriebskraft zur Verfügung. An beiden Rädern zusammen also 100%. Dem Fahrer eines ML stehen in dieser Situation nur 25% der Antriebskraft an jedem Rad mit Traktion zur Verfügung. Zusammen nur noch 50% . Die restlichen 50% werden an den beiden Rädern mit Schlupf in Wärme umgewandelt. Es kann nun aber sein, jedenfalls theoretisch, daß bei einem sehr schweren Hänger, die verbleibenden 50% Antriebskraft nicht ausreichen, das Gespann die Auffahrt hinaufzuziehen. Auf der positiven Seite muß man anmerken, daß in dieser Situation beim ML die beiden Räder mit Traktion sehr wahrscheinlich auch nicht unter der Last der 50%igen Antriebskraft durchdrehen werden, während die doppelt so hohe Antriebskraft beim G ein Durchdrehen der beiden mit Traktion verbliebenen Räder zur Folge haben könnte.
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